Die vier Gründungsväter
B. Mersmann | H. Wallmeyer | H. Sondermann | M. zum Egen
Nachdem wir durch die im Amts- und Kreisarchiv erhaltenen Akten nach 150 Jahren endlich die wahren Männer der ersten Stunde kennen, ist es eine freudige Pflicht, diesen vier "Gründungsvätern" die längst verdiente Ehrung zukommen zu lassen, ihre Namen für immer in die Annalen des Vereins zu schreiben und sie vor dem Vergessen zu bewahren. Im Gegensatz zu den bisher irrtümlich als erste Vereinsvorsitzende angesehenen Amtmännern Wessel und Möllers, die sich nur während ihrer Dienstjahre in Sassenberg aufhielten, waren sie "echte Sassenberger", die selbst aus dem Ort stammten und / oder deren Familien bis zum heutigen Tag hier ansässig sind. Darüber hinaus sind sie, wie wir sehen werden, insofern besonders typische und interessante Vertreter unseres Heimatortes, als ihre Vorfahren sich, wie es fast bei allen Sassenbergern der Fall ist, irgendwann als mittellose Zugereiste an diesem Platz niederließen, wo das Schloß und die fürstbischöfliche Verwaltung auf Verdienstmöglichkeiten hoffen ließen und es genügend billige Hausplätze oder erschwingliche Untermieten gab, und sich erfolgreich um sozialen Aufstieg bemühten. Ferner gehörten alle vier einer Generation an, deren Jugend noch in der fürstbischöflichen Zeit lag und die dann die französische Zeit und die neuen Verhältnisse im preußischen Staatsverband erlebte.
B. Mersmann
Der erste dem Alphabet und auch dem Alter nach ist der Schuster Johann Bernhard Mersmann, der im Jahre 1795 als Sohn der Eheleute Jürgen Heinrich Mersmann und seiner Frau Gertrud geboren wurde. Die Mersmanns gehören zu den ältesten Familien Sassenbergs. Ihre Namen findet man schon in den zur Erstausstattung der Kirche gehörenden Bänken eingeritzt. Der erste Mersmann war bereits 1656 nach Sassenberg gekommen. Es war der 1628 in Beelen geborene Kötterssohn Johann Mersmann, der an der fürstbischöflichen Mühle als Müller eine Anstellung bekam und 1678 in Sassenberg starb. Nachdem Christoph Bernhard von Galen am 1. Mai 1661 die allgemeine Bauerlaubnis für den Langen Garten erteilt hatte, d.h. für die der Hessel zugewandte Seite des Klingenhagen, waren es Otto Mollner, Johann Wietel und der Müller Johann Mersmann, die als erste an zu bauen fingen und ihre Häuser noch im selben Jahr fertigstellten und bezogen.
Der gleichnamige Enkel Johann Mersmann (geboren 1701) ergriff das Schusterhandwerk, das seitdem in sieben Generationen von den Mersmanns betrieben wurde. Sein jüngster Sohn Jürgen Heinrich Mersmann, Vater unseres Vereinsgründers, verkaufte das beengte Elternhaus und erwarb das größere, freiliegende Anwesen Nr. 233 auf der anderen Straßenseite, das für die folgenden Generationen zum Stamm- und Geschäftshaus der Mersmanns werden sollten.
In diesem Haus, zu dem auch etwas Landwirtschaft gehörte, wuchs Bernhard Mersmann auf. Mit 13 Jahren verlor er seinen Vater; die älteren Geschwister verließen bald das Haus, und so mußte er schon in jungen Jahren die Schusterwerkstatt in eigener Verantwortung übernehmen und für sich und seine Mutter sorgen. Bernhard Mersmann heiratete Gertrud Renne und hatte mit ihr fünf Kinder. Er starb 1853 in Sassenberg.
Sein den älteren von uns noch gut bekannter Enkel, Schuhmachermeister Anton Mersmann, war (auch ohne Kenntnis der Gründungstat seines Großvaters) ein eifriger Schütze, der schon im vorigen Jahrhundert auf Schützenfest-Schnappschüssen zu sehen ist. Dessen Sohn Heinrich Mersmann, Schuhmachermeister und Schuhfabrikant, stellte sich unbewußt in die vom Urgroßvater begründete Tradition, indem er von 1950 bis 77 dem Vorstand des Bürgerschützenvereins als Beisitzer angehörte und im Jahre 1958 mit der Nachbarin vom alten Hof Meiteler, Frau Bernhardine Baune, den Königsthron bestieg.
H. Sondermann
Heinrich Sondermann war der Jüngste im Vorstand des neuen Vereins. Eigentlich hieß er Sundermann (mit u), geboren am 18. Juni 1802 in Gütersloh und in der dortigen evangelischen Kirche getauft. Er war Blaufärber und kam um 1830 als Junggeselle nach Sassenberg. Wohl wegen der in Sassenberg noch immer zahlreich ansässigen Heimweber konnte auch die Blaufärberei noch dürftig existieren.
Im Hause Insel 33 (Zurwieden) wohnte der Blaufärber Niehues, dessen Witwe kurz vor 1840 den Blaufärber H. Schoo heiratete. Dieser errichtete seinem Wohnhaus gegenüber direkt an der Hesselgräfte das schmale Färbereigebäude, in dem später der Schuster Kattenbaum wohnte. Blaufärber Schoo war 1841 der zweite König des Schützenvereins. Später kam er in finanzielle Schwierigkeiten, musste verkaufen und wanderte in die USA aus. Im Haus Klingenhagen 163 betrieb Franz zum Egen seine Blaufärberei. Er war der Sohn des letzten fürstbischöflichen Schlossaufsehers und Bruder des Schmiedes Melchior zum Egen.
Der junge Heinrich Sundermann fand zunächst bei Franz zum Egen eine Anstellung und war bei ihm in Kost und Logis. Als Franz zum Egen später auszog, übernahm Heinrich Sundermann das Anwesen als Hauptmieter. Hier wohnte er mit seiner Frau Maria Anna Rösing und den Kindern Therese und Heinrich länger als drei Jahrzehnte.
Die Heirat mit der Tochter des Metzgers Theodor Rösing war offensichtlich eine gute Partie und verschaffte dem vermögenslosen Zugereisten Aufnahme in die "besseren Kreise" der Einheimischen, - wenn man im damals notorisch armen Sassenberg von besseren Kreisen überhaupt sprechen konnte. Die Rösings waren mit vielen alten Sassenberger Familien verwandt, z.B. mit den Casums und Dünheufts, die schon seit dem Spätmittelalter in Sassenberg ansässig waren. Wohl auf Wunsch der Schwiegereltern änderte Heinrich Sundermann die Konfession und wurde katholisch. Dabei soll vom damaligen Pastor Kösters bei seinen Eintragungen bewusst der Familienname in Sondermann verändert worden sein, um die Verbindung zur vorherigen Konfession zu unterbrechen. Das Gesprächsprotokoll vom 22. Mai 1840 jedenfalls ist bereits mit der neuen Namensform unterschrieben.
Der Schwiegervater Theodor Rösing hatte keinen männlichen Erben, sondern noch vier weitere Töchter. Kein Wunder, dass der einzige Sohn Heinrich Sondermann nicht Blaufärber wurde, sondern dem Beispiel seines Großvaters Rösing und seiner Onkel folgte. Er wurde Metzger, betrieb einen sich ständig erweiternden Fleischhandel, insbesondere mit westfälischen Schinken, und zählte durch Fleiß und Geschick bald zu den Wohlhabenden in Sassenberg. 1865 kaufte er von Kornhändler Arthkamp das im Zentrum gelegene Haus Nr. 37, das so genannte Amtsrentmeisterhaus.
Nach einer Familientradition soll der Mitbegründer des Schützenvereins (welche Ironie des Schicksals!) während eines Schützenfestes in Sassenberg von einem Pferd in den Leib getreten worden und kurz darauf gestorben sein.
H. Wallmeyer
Mit dem Leinenweber Heinrich Wallmeyer ist ein Berufsstand vertreten, dem über ein Jahrhundert lang die weitaus meisten zugezogenen Sassenberger angehörten. Die Mehrzahl von ihnen wohnte auf dem Lappenbrink in den schmalen Gademen, d.h. kleinen Häusern, die oft nur die Breite eines Zimmers besaßen. Für viele Kötter - und Heuerlingssöhne war die Flachs- und Hanfbearbeitung und das Weben in Heimarbeit die einzige Möglichkeit der Existenzsicherung und reichte doch in vielen Fällen nicht aus, den primitivsten Lebensunterhalt zu bestreiten.
Die Vorfahren Heinrich Wallmeyers lebten schon seit mehreren Generationen in Sassenberg und waren alle Weber gewesen. Als erster ist sein Urgroßvater Joann Dirck Waellmeyer in schriftlichen Zeugnissen greifbar. Er war um 1695 geboren und verheiratet mit Anna Maria Wöestmann und wohnte als unselbständiger Weberknecht zur Miete auf der vorderen Langefort, vermutlich Hausstätte Nr. 42 (heute Ostlinning). Sein Sohn, Weber Joann Bernhard Wallmeyer (1735-1807),konnte das kleine Haus Nr.115 auf dem Lappenbrink (später Stücker) erwerben und es mit seiner Frau Anna Gertrud Laumann im Jahre 1763 beziehen.
In diesem Hause wohnten die Wallmeyers in zwei Generationen. Und hier wurde auch unser Vereinsgründer Johann Heinrich am 25. August 1797 als Sohn des gleichnamigen Webers Johann Heinrich Wallmeyer und seiner Frau Maria Catharina Austermann geboren.
In diesem Haus Nr.137 wohnte Heinrich Wallmeyer. Vor dem Haus steht eine Laterne der ersten Straßenbeleuchtung Sassenbergs, deren Masten 1926 zum Bau des überdachten Schießstands auf der Schützenwiese gebraucht wurden.
Johann Heinrich heiratete Mitte der zwanziger Jahre Maria Christina Bücker (oder Böcker) und kaufte in dieser Zeit das größere Haus Nr. 137 (heute Lappenbrink 64 / Lückewerth). Es lag seinem Elternhaus gegenüber, welches er nunmehr an zwei Weberfamilien vermietete. Als er zusammen mit Mersmann, Sondermann und zum Egen im Mai 1840 zum Bürgermeister ging, war wenige Tage zuvor sein achtes Kind geboren. Von seinen vier Söhnen starben Johann Heinrich und Friedrich Anton früh und unverheiratet, während Theodor in die Heimat seiner Frau nach Greven zog. Der 1834 geborene Sohn Jakob Wallmeyer blieb in Sassenberg und war in dem von seinem Vater gegründeten Schützenverein zunächst Adjutant des Majors Bernhard Krumkamp und wurde später als Major dessen Nachfolger. Er starb während des deutsch-französischen Krieges 1870-71 im Lazarett in Hannover an Typhus. Das Elternhaus ging auf die unverheiratete Schwester Christine über, nach deren Tod die Erben das Haus an Wilhelm Lückewerth vom Emsort verkauften.
Heinrich Wallmeyer hob sich nicht nur als Besitzer zweier Häuser von seinen ärmeren Webergenossen ab. Er genoss auch höheres Ansehen als Mitglied der Stadtverordneten-Versammlung der Stadt Sassenberg. Als diese im Januar1846 in Zusammenarbeit mit dem Armenvorstand die Begründung einer Spinnanstalt beschloss, um dadurch die übergroße Arbeitslosigkeit in Sassenberg zu beheben, wurde der Weber Wallmeyer als "Werkführer" auserwählt. Am Rande sei noch vermerkt, dass Heinrich Wallmeyer auch eine musikalische Begabung hatte und bei Hochzeiten, Kirmessen und Schützenfesten (!) aufspielte.
M. zum Egen
Auch Melchior zum Egen ist den historisch interessierten Sassenbergern kein Unbekannter, sondern wurde ihnen bereits als der Erfinder einer Dreschmaschine (der ersten in Deutschland ?) vorgestellt. Es war genau in den Tagen des ersten Schützenfestes des neugegründeten Vereins, im Juni 1840, dass er sein im Jahr zuvor in Münster erworbenes Patentrecht auf die Dreschmaschine der Eisengießerei Caris-Hütte in Altwasser / Schlesien für 200 Reichstaler verkaufte.
Die Familie zum Egen tauchte erst gegen Ende der fürstbischöflichen Zeit in Sassenberg auf. Der Sohn eines Wilhelm zum Egen, Franz Arnold (geboren am 21.11.1763 in Buldern, gestorben am 26.10.1826 in Sassenberg), war Schlossaufseher. Nach der Auflösung des Fürstbistums Münster wurde er als königlichpreußischer Hausdiener übernommen. Er war verheiratet mit Elisabeth Theresia Funcke aus Altenberge. Ihr Sohn Melchior wurde noch in fürstbischöflicher Zeit geboren, nämlich am 12.12.1795, und wuchs im Sassenberger Schloss auf, wo die Familie bis zum Tode des Vaters eine Dienstwohnung hatte. In der Mitte der zwanziger Jahre erwarb Melchior zum Egen von dem Kaufmann Hermann Arthkamp das Haus Nr. 183 im Klingenhagen, wo er seine Schmiede einrichtete.
Melchior zum Egen war zweimal verheiratet, zuerst mit Anna Mentrup aus der alten Zimmermannsfamilie vom Langefort (heute Hunkenschröder), dann mit Anna Osthöckelmann, der Tochter seines früheren Nachbarn, Schreinermeister Johann Heinrich Osthöckelmann. Aus dieser zweiten Ehe stammen die Töchter Katharina (verheiratet mit Arnold Suer, Schloßstraße 17) und Anna (verheiratet mit Anton Breuer, Klingenhagen 181) und sein Sohn und Erbe Caspar zum Egen. Dieser erweiterte den Betrieb und baute dem Wohnhaus gegenüber eine neue Werkstatt. Er hatte mit seiner Frau Anna Deno drei Töchter. Die jüngste heiratete den Rendanten der Spar- und Darlehnskasse Franz Müseler und führte die Eisenwarenhandlung weiter, während die Schmiede an ihren Vetter Josef Breuer vermietet wurde.
Melchior zum Egen starb 1867 in Sassenberg an Wassersucht. Über die angeheirateten Familien Deno und Müseler waren auch die Generationen nach ihm eng mit dem Schützenverein verbunden: Caspar zum Egens Schwiegervater Franz Deno war in den Jahren nach 1860 Vorstandsmitglied und erster Vorsitzender, der Schwiegersohn Franz Müseler war Schützenoberst und Vorstandsmitglied (1923 - 1939), und dessen Vater Bernhard Müseler war Vorstandsmitglied von 1907 bis 1927 und Schützenkönig und -kaiser (1905 und 1920).